Für mein erstes Wacken Open Air kurz W:O:A hatte ich mir mit 2015 das schlimmste Jahr in Bezug auf das Wetter ausgesucht. Die durch den Regen entstandenen Wassermassen hatten den Boden schnell aufgeweicht und in Schlamm verwandelt. Meine mitcampenden Wackenveteranen sagten auch, sie hätten das so extrem noch nie erlebt. Immerhin habe so viel Wissen über Schlamm angesammelt, so dass ich eine kleine Doktorarbeit verfassen könnte. Für die Interessierten unter euch: Die Konsistenzgrade von Schlammen reichen von 0 (feste Erde) bis 50 (Wasser). Aber immer der Reihe nach.
Vorgeschichte:
„Damals“ in der Anfangszeit des Metal-Festivals Wacken fuhren Freunde von mir regelmäßig dorthin und trotzdem dauerte es noch Jahre bis ich dieses Jahr 2015 zum 26. Wacken zum ersten Mal dort aufschlug.
Letztes Jahr, 2014, sagten mein Team-Chef und ich uns erst im Spaß: „Da fahren wir als Teambuildingmaßnahme hin.“ Als es dann die Karten gab, spielte sich folgendes Szenario ab: Ich sah morgens auf Facebook die Kommentare zweier ehemaliger Kollegen, die jedes Jahr da sind, dass sie in der Nacht wach geblieben waren, um Tickets zu erwerben. Im Zuge dessen sagte ich im Büro:“Wir müssen uns beeilen, letztes Jahr waren die innerhalb von zwei Tagen ausverkauft!“ Also bestellten wir unsere Tickets inklusive der T-Shirts gegen 11 Uhr. Umso überraschter war ich, als ich kurz nach 12 Uhr mitbekam, dass das Wacken komplett ausverkauft war.
Schon im Vorfeld planten mein Chef und ich unser Festival und ich musste feststellen, dass er ein paar andere Vorstellungen hatte, die ich ein wenig gerade rücken musste. Sein ursprünglicher Plan war es, zwei Mal am Tag zu duschen, was ich schon für ein „normales“ Festival als sehr sportlich ansah. Auch riet ich ihm schon am Dienstag anzureisen, aber er blieb bei seiner Mittwochplanung.
Kurz vor Beginn des Wacken-Festivals teilte mir meine Campgruppe dann mit, dass wir uns am Dienstag im Wackener Nachbardorf Schenefeld um kurz nach sechs treffen würden. Entsetzt fragte ich, ob denn wirklich morgens gemeint sei, was leider bejaht wurde.
Anreisetag Dienstag:
Ich stand um 4:30 Uhr schlaftrunken auf. Den Wagen hatte ich zum Glück schon am Abend vorher mit meinem Gepäck beladen und so kam ich relativ pünktlich los und traf meine Gruppe an der vereinbarten Stelle, von der wir außen rum zum Wackener Zeltplatz gelangten. Der zugeteilte Zeltplatz schien kleiner zu sein, als die letzten Jahre und wir hatten noch das Glück, dass unsere Autoreihe ein wenig weiter hinten stand. Sehr zum Ärger einiger Nachbarn, die sich gleich bei den Ordnern beschwerten. Erfreulicherweise mussten wir nun nicht auch noch weiter nach vorne fahren. Die Zelte und den Pavillon hatten wir zum Glück aufgebaut bevor es zu regnen begann. Unser Platz war auch aufgrund einer Einhornflagge eines Nachbarzeltes mit zwei weiteren Flaggen leicht zu finden – ich fühle mich übrigens inzwischen von Einhörnern verfolgt! Den Rest des Tages gestalteten wir uns gemütlich. Holten unsere Bändchen, kauften im Dorf Wacken ein und waren vor dem nächsten Regen zurück, so dass wir schön unter unserem Pavillon grillen konnten.
Mittwoch:
Den Mittwoch starteten wir gemütlich, mussten uns aber den Weg zum Holy Wacken Land erst mühsam bahnen, da wirklich alle „Hauptstraßen“ unter Schlamm mit einem Konsitenzgrad von mindestens 30 – dringt nicht in die Schuhe ein, wenn man nicht stehen bleibt – standen. Hier kommt zusätzlich zum Konsistenzgrad die in Bezug auf Schlamm zweitwichtigste Größe der Schlammtiefe ins Spiel. Um euch nicht mit fachlichen Details zu langweilen nur in Kürze: Ist der Wert der Schlammtiefe im mm-Bereich ist alles in Ordnung. In höheren cm-Bereichen wird es für euch kritisch.
Auf dem Holy Wacken Land schauten wir uns zuerst zwei Wrestling-Kämpfe an, von denen gerade der zweite Kampf, ein Tag-Team-Kampf vor Allem deswegen so interessant war, weil „Demolition Davies“ nicht nur das gegnerische Team, sondern auch seinen eigenen Partner vermöbelte. Sehr unterhaltsam waren auch die Rufe des deutschen Publikums: „Auf die Fresse! Auf die Fresse!“
Weiter ging es auf dem Festivalgelände.
Mbosch: Ich sah kurz das Ende vom Auftritt dieser Endzeit-Band, die in der Endzeit-LARP-Szene sehr groß ist, auf der Wasteland-Bühne
Im weiteren Verlauf des Festivals sah ich leider nur kurze Teile der Auftritte dieser Mad-Max-Band im Vorbeigehen. Ich muss es mal schaffen, einen ganzen Auftritt zu sehen.
Mambo Kurt: Zu Wacken gehört natürlich auch Mambo Kurt, der sowohl bekannte Metal-Lieder als auch Lieder aus anderen Genres dem Publikum auf der Orgel präsentiert. Dieses Jahr gab es dazu eine spezielle Form des Super-Mario-Titelliedes.
The Gentle Storm: The Gentle Storm wurden mir im Vorfeld empfohlen und gefielen mir sehr gut. Ich machte den Fehler und sah nur die Hälfte des Auftrittes, weil ich noch zum Auftritt der Grails Knights wollte.
Grail Knights: Die Grail Knights treten in Superheldenkostümen auf, was für mich schon ein Grund war, deren Auftritt sehen zu wollen. Leider gab es kein Zugang mehr zu dem Bereich der Headbanger-Stage. Sie kommen auf jeden Fall auf meine to-watch-Liste.
Zu diesem Zeitpunkt setzte der Regen wieder ein und erhöhte den Schlammlevel auf 37 – dringt in die Schuhe ein. Wir holten einen weiteren Mitcamper im Dorf ab und stellen uns aufgrund des immer stärker werdenden Regens unter, um uns schließlich auf den Weg zum Camp zu machen. Dies war sehr beschwerlich und wir waren klitschnass – der Regen hatte dafür gesorgt, dass der Schlammlevel bei 48 lag – ja, nur noch geringe Spuren Schlamm verunreinigen das Wasser. Ursprünglich wollte ich noch New Model Army und Europe sehen. Wir waren aber so bedient, dass wir uns nur noch in die Zelte zum Schlafen legten. Witzigerweise wachte ich kurz auf um pünktlich vom Festivalgelände „Final Countdown“ herüberschallen zu hören. Von einigen Mitcampern, die wirklich im strömenden Regen ausgeharrt hatten, hörte ich am nächsten Tag, dass die meisten Zuschauer nur auf „das eine“ Lied gewartet hätten, was Europe natürlich auch aus diesem Grund erst am Ende ihrer Show spielten.
Donnerstag:
Auch am Donnerstag Morgen regnete es noch. Dies setzte sich noch bis zum Mittag fort und ich war schon richtig genervt. Zum Glück lies der Regen nach, da ich mich für den frühen Abend mit einer ehemaligen Studienkollegin, die ein Dorf weiter wohnte, verabredet hatte. Der Weg ins Dorf Wacken war bei Schlammkonsitzensgrad 27 – der Schlamm mag dich so sehr, dass er dich nur ungerne loslässt – schon ein wenig schwierig und mir taten die anreisenden Besucher leid. Nach dem schönen Treffen und Plausch über alte Zeiten ging es zum Auftritt von Eric Fish, dem Sänger von Subway To Sally. Nachdem ich vom Auftritt dieser Band beim M’era Luna 2014 eher enttäuscht war, wollte ich zumindest Eric Fish alleine hören und ich wurde belohnt: Ein sehr guter Auftritt, der sowohl der hervorragenden Akkustik als auch den philosophischen Texten geschuldet war.
Freitag:
Freitag war es fast trocken, angenehm bewölkt und es gab am Tag nur wenige Tropfen in Form von leichtem Nieselregen. Auf Schlamm der Stufe 16 – hey weicher Boden – ließ sich es sich angenehm laufen.
Sepultura: Auch wenn Sabaton dieses Jahr DER Headliner war, war Sepultura der Auftritt, auf den ich mich im Vorfeld am meisten freute. Die einzigen beiden Wehrmutstropfen waren, dass Sepultura leider nicht Ratamahatta spielte und zehn Minuten früher aufhörte. Ansonsten war der Auftritt sehr mitreißend.
Stratovarius: Ich habe Stratovarius gesehen, aber keine richtige Erinnerung mehr an den Auftritt, ein Zeichen dafür, dass sie mir weder positiv noch negativ aufgefallen sind.
Queensryche: Legten einen energiegeladenen Auftritt hin und spielten sowohl alte als auch neue Stücke.
Dream Theater: Wie erwartet spielte die progressive Metal-Band Dream-Theater sehr lange epische Stücke wie man sie von ihren Alben kennt. Optisch fiel bei dem Auftritt auch eine Drohne auf, die über dem Gelände schwebte und vermutlich den Auftritt mitaufzeichnete.
In Flames: War als der Akt am Freitag Abend ok, aber nicht überragend. Auch hier war die Drohne wieder zu sehen, diesmal durch LEDs beleuchtet, so dass sie am Nachthimmel interessant aussah.
Within Temptation: Ich hatte Within Temptation zwar erst letztes Jahr auf dem M’era Luna gesehen. Aber gerade weil mich deren Bühnenshow so überzeugt hatte, musste ich sie noch einmal sehen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Die Show war wieder fulminant und die Bandmitglieder in topform. Problematisch war bei Balladen und ruhigeren Stücken, dass der Gitarrensound von Running Wild auf der Black Stage die Musik von Within Temptation übertönte.
The Boss Hoss: Ich hörte nur die erste Viertelstunde. Da es schon sehr kalt war und mich the Boss Hoss nicht so wirklich mitriss, machte ich mich auf den Weg ins Camp.
Die Luft war sehr feucht und stark abgekühlt, so dass es nicht verwunderte, dass sämtliche Autos von außen beschlagene Fensterscheiben hatten. Auch hatte sich auf den Zelten ein Film von kondensierenden Tropfen gebildet. Ich war froh, dass ich einen sehr warmhaltenden Schlafsack hatte, in den ich schlüpfen konnte.
Samstag:
Rock Meets Classic: Wie zu erwarten war eine tolle Kombination von alten „Rock“-Stücken mit klassischen und „neuen“ Musikinstrumenten. Als „Gast-Musiker“ traten Michael Kiske, Ex-Sänger von Helloween, und Dee Snider, Sänger von Twisted Sister, auf. Vor Allem letzterer schaffte es sehr gut mit dem Publikum zu interagieren und war sich nicht zu Schade dieses und sich selbst hochzunehmen. Die Stimmung war großartig.
Sabaton: Sabaton waren der Headliner und ganz nett anzuhören mit einer schönen Bühnenshow, aber für mich definitiv nicht das Highlight des Festivals.
Judas Priest: Solide harte klänge, aber keine größeren Höhepunkte.
Cradle of Filth: Cradle of Filth hatte ich nur „Grunzband“ in Erinnerung, war aber sehr begeistert als Sänger Dani Filth auch hohe Laute ausstieß, wenn ich sie auch wie die tiefen Laute nicht verstand. Auch das düstere Ambiente gepaart mit schnellen Gitarren- und Bassläufen machte den Auftritt zu meinem Highlight des Wackens 2015.
Subway To Sally: Nach der Performance bei ihrem letzten Auftritt beim M’era Luna 2014 waren sie bei mir nicht so hoch priorisiert und ich hatte überlegt, ob ich überhaupt zu diesem letzten Konzert hinzugehen. Zum Glück gab ich mir einen Ruck. Der Auftritt war sehr gut, viele ältere Stücke wie z.B. mein Lieblingslied Veitstanz wurden gespielt. Mit Hilfe des Publikums als Chor wurde auch Julia und die Räuber performt.
Nach diesem Konzert wurden die verbliebenen Teile meiner Reisegruppe und ich relativ schnell von der Security aus dem Infield gekehrt. Allerdings passte uns dies sehr gut, da wir schon am Vormittag unsere Zelte in die Autos gepackt hatten, um noch in der Nacht zu fahren. Wir waren am Vormittag die Strecken abgegangen, um für unsere Autos kritische Stellen zu finden. Trotzdem hatten wir Probleme mit den nicht getrockneten Seitenwegen – da war ja noch etwas, genau Schlamm diesmal Level 42: Dringt auch in Schuhe ein und sorgt bei Autos zum Durchdrehen der Reifen. Mein Wagen blieb sogar stecken und es sah so aus, als wenn wir externe Hilfe brauchen würden, aber wir schafften es sehr zu meiner Erleichterung mit vereinter Kraft ohne einen Traktor in Anspruch nehmen zu müssen. Wir waren alle erleichtert, als wir wieder Asphalt unter unseren Reifen verspürten. Hier noch einmal ein Dank an meine Reisegruppe sowohl für die schöne Zeit, als auch für die Hilfe beim Steckenbleiben!
Soziale Komponente:
Das Festival nutzte ich wie immer auch, um mich mit Menschen oder ähnlichen Wesen zu treffen. Dabei gab es dieses Jahr die Premiere, dass ich zum ersten Mal eine Person traf, die ich über Instagram kennengelernt habe, und die über keinen Twitteraccount verfügt – normalerweise geschieht dies immer eher umgekehrt. Die @mwiri hatte mir eine sehr gute Beschreibung der Lage ihres Camps gegeben, so dass ich spontan mal vorbeisah. Ein zweites Treffen ergab sich ebenfalls spontan als ich durch den Schlamm am Donnerstag Abend zurückstapfte.
Auch die @Kaddybale, die ich schon vom Hamburger Twitter Stammtisch kannte, traf ich. Aufgrund ihres selbstverfeinerten rosafarbenen Hutes war sie leicht von Weitem zu erkennen. Aus dem selben Grund wurden „wir“ bzw. eher sie öfter angesprochen. Viele wollten ihren Hut kaufen. Vielleicht eine Marktlücke. Aber wenn zu viele einen solchen Hut haben, findet man sie auf Festivals nicht so schnell wieder.
Die @pink_fluffy kannte ich schon und wir hatten schon im Vorfeld geplant, uns auf dem Wacken zu treffen. Wir versuchten uns per Whatsapp zu koordinieren, trafen uns dann aber zufällig beim Queensryche-Konzert. Ich war mir nicht sicher, ob sie es war und hatte erst ein wenig Bammel sie anzusprechen – für mich ist es peinlich Frauen so anzusprechen, wenn sie es dann nicht sind. Klingt wie eine schlechte Anmache nach dem Motto „Kennen wir uns nicht?“ oder „Bist du öfter hier?“. Ihr ging es umgekehrt übrigens auch so ^^ Süß war es übrigens am Samstag zu sehen, wie sie sich tierrisch über den Auftritt von dem ehemaligen Halloween Sänger Michael Kiske beim Rock-Meets-Classic-Auftritt freute. Zufällig traffen wir uns auch noch einmal nach dem Cradle of Filth Konzert.
Ebenso gab es ein Treffen mit ehemaligen Arbeitskollegen 🙂
Alles sehr tolle Gespräche und Treffen, ich hoffe auf Wiederholung 🙂
Weiteres vom Gelände:
Auf dem Gelände fielen noch ein paar Dinge auf, die ich jeden Tag zu finden waren. Zum einen fand jeden Tag ein Pfahlsitzen statt, bei dem bei Erfolg – 6 Stunden Dauersitzen mit kurzer Pinkelpause nach zwei Stunden – einem VIP-Tickets für das nächste Jahr winkten. Dabei hatten die Teilnehmer freie Sicht auf die Bühnen und am heißen Samstag sogar einen Sonnenschirm. Auch gab es eine riesige Bierdose, die ein Prototyp für eine zukünftige Übernachtungsmöglichkeit auf Festivals war. Die sogenannte Sleeping Can verfügt über Solarpanele auf dem Dach und die Innenräume bieten bei konstanter Temperatur gute wenn auch kleine Übernachtsflächen. Bei diesem Wetter dürfte es nicht verwundern, dass es auch einen Schuhfriedhof gab, aber ich denke, dass dieser zu jedem Wacken gehört.
3 Gedanken zu „50 Shades of Schlamm – Wacken Open Air 2015 W:O:A“