Heute war einer der anstrengensten Tage der Reise, an dem wir erst nach Gorak Shep trekkten und von dort aus den Gipfel des Kala Patthar bestiegen.
Wir standen um 4 Uhr morgens auf. Ich fühlte mich, was den Schwindel angeht nicht besser. Auch hatte ich Kopfdrücken. Als ich dann hörte, dass eine Mitreisende absteigen würde – sie hatte über die Nacht Fieber bekommen – war ich auch schwer am Überlegen mit abzusteigen, entschied mich aber dagegen. Sunam wird sie begleiten und sie führen. Er hatte selber wohl auch Probleme mit der Höhe in Form von Kopfschmerzen.
Es gab um diese Uhrzeit kein Frühstück, allerdings und zum Glück bekamen wir als Schokoriegel des Tages ein Mars. Im Dunkeln starteten wir unseren Marsch, mit Stirnlampen, die unseren Weg erhellten. Es war um diese Uhrzeit noch sehr kalt, auch trotz all meiner Schichten. Als schließlich die Sonne aufging, waren wir froh über die wärmenden Sonnenstrahlen. Der Weg nach Gorak Shep war sehr anstrengend und dauerte insgesamt ca. 4,5 Stunden. Dabei war der letzte Abschnitt von Felswegen geprägt, auf denen wir immer wieder steil hoch- und runtersteigen mussten. Da auch viele andere Trekkergruppen sich auf dem schmalen Weg entgegen kamen, gab es des Öfteren sozialen Stress. Und es war noch nicht einmal Hochsaison. Für unsere Erschöpfung war sicher auch das fehlende Frühstück ein Grund.
Gorak Shep
Gorak Shep liegt auf ca. 5140 Metern und ist wie alle Orte auf dieser Höhe nur in Zeiten des Tourismus belebt. Von hier aus steigen die Touristen auf den Kala Patthar oder zum Mount Everest Base Camp. Wir frühstückten erst einmal, weil wir richtig Hunger hatten.Da wir eine Person weniger waren, hatten wir die Wahl zwischen einem Vierer- und einem Einerzimmer oder einem Zweier- und einem Dreierzimmer. Wir entschieden uns für letzteres. Unser Pärchen belegte das Zweierzimmer, so dass wir das Dreierzimmer mit der übriggebliebenen Dame teilten. Sie bekam das Einzelbett. Dass Dreierzimmer war allerdings nicht wie erhofft größer, sondern durch quasi ein Bett mehr, sehr eng. Wir konnten uns in dem Raum kaum bewegen.
Auf dem Kala Patthar
Trotz leichter Kopfschmerzen und Schwindel beschlossen wir auf den Kala Patthar zu steigen – inzwischen ging es auch den anderen nicht mehr so gut, wie ihr lest. Auch hier erhofften wir uns Besserung durch die Regel: „Climb high, sleep low!“ Wir machten auch aus, dass wir absteigen würden, sollten sich die Symptome verschlimmern. Unser Zimmergenosse merkte schon auf den ersten Metern, dass es nicht gut für ihn war und er kehrte mit Arjun um, der uns später locker wieder einholte.Langsam schleppten wir uns den Kala Patthar hoch. Als ich schon bei der Hälfte die Idee hatte umzudrehen – denn ich war ja schon hoch genug geklettert und besser fühlte ich mich auch nicht – überredete mich unser Guide Man mit „Nur noch bis da vorne!“.
Andere Art der Erschöpfung
Die Erschöpfung war hier eine ganz andere, als ich erwartet hätte. Ich hatte mir das immer vorgestellt, dass meine Lungen wie nach einem Sprint den Sauerstoffbedarf durch ein gewisses Brennen ankündigen würde. Worauf ich einfach stehen bleiben und lange tief atmen könnte. Ich war aber einfach fertig. Du hattest genug Luft oder zumindest das Gefühl. Aber es ging einfach nicht weiter.
Ein Mann aus der westlichen Welt ging in kurzen Shorts und mit Sandalen bekleidet locker an uns vorbei, nur gebremst durch seine Begleitung, welche er an der Hand den Berg hoch zog. Er zeigte keine Anzeichen von Erschöpfung. Genauso wenig unsere Guides und Porter, die locker den Berg hochgingen.
In der Höhe fragte ich mich, was bei Höhenkrankheit genau passiert. Würde ich einfach umkippen und das war es? Ich dachte daran, wie doof doch Bergsteiger sind, indem sie ihr Leben riskieren. Und stellte mir vor, wie ich bei einem geliebten Menschen sein könnte, anstatt hier so ein Risiko einzugehen. Ich war wirklich am Ende meiner Kraft und sagte Man, dass ich sehr erschöpft bin und nicht weiter kann. Darauf erwiderte er, dass wir schon drei Viertel der Strecke geschafft hätten. Ich sagte, um meine Aussage und Sorge zu unterstreichen, dass ich einfach nicht sterben möchte. Er versprach mir:“You are not gonna die!“
Auf der Spitze des Kala Patthar
Schließlich wurden unsere Tagesrucksäcke von Arjun nach oben getragen, nachdem ich beim zweiten Mal der Frage, ob er ihn nicht nehmen sollte, zustimmte. Es war in der Tat eine Erleichertung. Und auch wenn die letzten paar Meter eine gefühlte Ewigkeit waren, erreichten wir schließlich den Gipfel des Kala Patthar.Die Aussicht oben war schön, auch wenn es sich ein wenig zuzog, aber ich hatte nicht das gleiche Glücksgefühl wie damals auf dem Ayers Rock. Dazu war ich einfach zu erschöpft. Es waren trotzdem überraschend viele andere Touristen da. Man machte sich ein wenig lustig über mich, indem er mich nachmachte:“I’m so exhausted! I think, I’m gonna die!“ Unsere Porter lachten. Ich fand den Humor ok, wir hatten diese Ebene miteinander.Der Abstieg war zwar auch anstrengend, aber schon leichter. Vor allem wussten wir, bei den uns entgegenkommenden Leuten, was noch vor ihnen lag. Sie taten uns ein wenig leid. Bei Einbruch der Dämmerung kamen wir wieder in Gorak Shep an. Unserem Zimmergenossen ging es noch immer schlecht und er überlegte schon, ob er sich am Folgetag per Hubschrauber ausfliegen lassen würde, aber das war nur ein Notfallplan.